30.09.2016 Vortrag und Panel im Kontext der Jahrestagung der „Gesellschaft für Medienwissenschaft“ (GfM) an der FU Berlin (28.09.-01.10.2016), Schwerpunkt: „Kritik“30.09.2016 Vortrag und Panel im Kontext der Jahrestagung der „Gesellschaft für Medienwissenschaft“ (GfM) an der FU Berlin (28.09.-01.10.2016), Schwerpunkt: „Kritik“
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30.09.2016 Vortrag und Panel im Kontext der Jahrestagung der „Gesellschaft für Medienwissenschaft“ (GfM) an der FU Berlin (28.09.-01.10.2016), Schwerpunkt: „Kritik“30.09.2016 Vortrag und Panel im Kontext der Jahrestagung der „Gesellschaft für Medienwissenschaft“ (GfM) an der FU Berlin (28.09.-01.10.2016), Schwerpunkt: „Kritik“

Jahrestagung

30.09.2016 Vortrag und Panel im Kontext der Jahrestagung der „Gesellschaft für Medienwissenschaft“ (GfM) an der FU Berlin (28.09.-01.10.2016), Schwerpunkt: „Kritik“30.09.2016 Vortrag und Panel im Kontext der Jahrestagung der „Gesellschaft für Medienwissenschaft“ (GfM) an der FU Berlin (28.09.-01.10.2016), Schwerpunkt: „Kritik“


Pop-Kritik | Kritik-Pop: Popmusik als Medienkritik
Chair(s): Marcus S. Kleiner (Hochschule der populären Künste Berlin), Sven Stollfuß (Universität Bayreuth)
Die Kritik der Medien und die Medien der Kritik bilden eine spannungsreiche Interdependenz, denn die Kritik der Medien ist immer medial verfasst, sie setzt voraus, was sie kritisiert und bleibt an den zu kritisierenden Gegenstand gebunden. Die Kritik der Medien operiert diskursiv. Sie wird vom Prinzip der Schriftlichkeit bestimmt und primär unter dem Aspekt von Geist und Sinn begriffen. Die Adresse der Medien der Kritik ist hingegen die nicht-diskursive bzw. nicht-inhaltistische Kritik der Medialität von Medien. Medienkritik erscheint hier als Medieneffekt und fokussiert sich auf die Materialität der Medien. Popmusikkritik spielt im medienkritischen Diskurs keine Rolle. Sie wird als Angelegenheit des Musikjournalismus betrachtet. Der Popmusikjournalismus steckt seit Jahren in einer Dauerkrise. Darüber hinaus liest sich journalistische Popmusikkritik gegenwärtig zumeist wie Produkt-PR. Die (kritische) Auseinandersetzung mit Popmusik wird, wie die Kritik der Medien, vom Prinzip der Schriftlichkeit bestimmt. Im Unterschied zur Diskursivierung von Popmusik, also die performative Hervorbringung von Popmusik im und durch den Text, hebt John Storey („Cultural Studies and the Study of Populär Culture“, 2010) hervor, dass die Bedeutung und Funktion von Popmusik sich nicht in ihrer Textualität erschöpft bzw. von dieser in ihren kulturellen Möglichkeiten determiniert wird, d.h. durch die Lyrics. Text, egal in welcher Form, ist dem Sound und der (stimmlichen und dramaturgischen) Aufführung des Songs durch den Sänger untergeordnet. Ausgehend von diesem Verständnis von Popmusik und Sinnen sowie Musik und Performance sind zahlreiche Möglichkeiten zum Anschluss der Auseinandersetzung mit Popmusik im Kontext der Medienkritik möglich. Das Panel diskutiert, aus historischer und gegenwärtiger Perspektive, Popmusik als Medienkritik im Spannungsfeld der Unterscheidung zwischen der Kritik der Medien (Pop-bezogene Kritik) und der Medien der Kritik (Pop-basierte Kritik).

BEITRÄGE DES SYMPOSIUMS

Raunende Kritik der Moderne. Zum Antimodernismus in Metal und Folkmusik
Marcus Stiglegger
Dekra Hochschule für Medien Berlin
Spricht man im theoretischen Sinne von Popmusik, ist damit oft implizit die Forderung nach einer emanzipatorischen Haltung derselben verbunden. Das mag in der counter culture der 1960er Jahre begründet sein, als die Popkultur zugleich eine Protestkultur war, die sich gegen das bürgerliche Establishment richtete und dessen Werte in Frage stellte und kritisierte. Doch bereits damals lassen sich Strategien nachweisen, die sich gegen das emanzipatorische Ideal der Aufklärung zu richten schienen, sei es im mythisch-apokalyptischen Fabulieren von Jim Morrison („The End“) oder dem spielerischen Ketzertum der Rolling Stones („Sympathy for the Devil“). Was der Punk in der Lesart des Poptheoretikers Martin Büsser („If the kids are united. Von Punk zu Hardcore und zurück“, 1995) an emanzipatorischem Potenzial in den Pop zurückholte, was die frühe Industrial Culture mit ihrem „Information War“ (Andrea Juno/V. Vale, „Industrial Culture Handbook“, 1983) und ihrer Kritik an der kapitalistischen Moderne einforderte, das schienen Postpunk-Bands und die „First Wave of British Heavy Metal“ mit ihrem offensiv paganistischen Pathos direkt umzukehren. In den 1980er Jahren formierte sich so im Untergrund der Popkultur dagegen eine raunende Kritik der Moderne, die sich an einer Umkehrung der Adornoschen Dialektik von Mythos und Aufklärung versuchte.
Der Vortrag untersucht an unterschiedlichen Beispielen Teilbereiche dieser aufklärungskritischen Tendenzen, wie sie u.a. Büsser in seinem Band „Wie klingt die neue Mitte?“ (2001) diagnostizierte:
– Die Affirmation der alten Mythen am Beispiel der schwedischen Pagan-Metalband „Bathory“ – Der archaische Symbolismus bei der US-amerikanischen Sludgeband „Neurosis“
– Die Beschwörung indigener Spiritualität bei der US-Folkband „Wovenhand“
– Die Überaffirmation des Totalitarismus bei der slowenischen Band „Laibach“
– Der vormoderne Eurozentrismus bei der britischen Folkband „Sol Invictus“
Der Vortrag wird von den Randbereichen der Popkultur her jene Tendenzen untersuchen, die den Verdacht einer reaktionären Subversion in einem emanzipatorischen Kontext auf sich ziehen – mitunter aber gerade in ihrer Ausformulierung der Dialektik von Mythos und Moderne die Kraft des aufklärerischen Diskurses beschwören: Popmusik als konstruktive (Kultur- und Medien-)Kritik.

Feindkritik | Kritikfeinde. Zur Konstruktion von und Kritik an Feindbildern in der Popmusik
Marcus S. Kleiner
Hochschule der populären Künste Berlin
Popmusik ist zugleich Gegenstand (Pop-bezogene Kritik) und Medium der Medienkritik (Pop-basierte Kritik). Musikalische Erfahrung ist einerseits begrifflich organisiert, Popmusik entsprechend eine Angelegenheit des Diskurses und nicht eine inhärente Eigenschaft der so firmierenden Musik. In diesem Begriff bündeln sich die Regeln, nach denen die Übersetzung von Klang in kulturelle Wertungsmuster und Bedeutungsschemata erfolgt. Popmusik ist andererseits ein in Klang entfaltetes Medium sozialer und kultureller Prozesse, das, wie Peter Wicke („Soundtracks. Popmusik und Pop- Diskurs“, 2004) betont, „im Augenblick der Wahrnehmung durch das hörende Subjekt erst einmal nichts anderes als eine von sich selbst differenzierte und in sich strukturierte sinnliche Erfahrungstatsache ist. […] Erst danach kommt die Einordnung, die Zuordnung, die Zuschreibung, die Benennung […] und damit auch die Verarbeitung der per Klang induzierten Erfahrung auch als Pop.“ Popmusik-Kritik und Popmusik als Kritik müssen in der kritischen Auseinandersetzung mit Popmusik immer zusammen gedacht werden.
Das Verhältnis zwischen der Kritik der Medien (Pop-bezogene Kritik) und der Medien der Kritik (Pop- basierte Kritik) wird exemplarisch anhand der Konstruktion von und der Kritik an Feindbildern in der Popmusik diskutiert. Popmusik kann als kulturelles Deutungsmuster von Feindbildern bezeichnet werden, die ihrerseits soziale Deutungsmuster darstellen und die Affirmation der Welteinteilung in Freund vs. Feind bewirken. Die Adresse dieser Welteinteilung ist zum einen die popkulturell verstärkte Wir-Bildung und die demonstrativ-spektakuläre Wir-Stärkung und zum anderen die Ironisierung bzw. Kritik an dieser dichotomen Welteinteilung.
Die Diskussion der popmusikalischen Enmifikation von Feindbildern (Kritik der Medien) und der popmusikalischen Kritik an Feindbildkonstruktionen (Medien der Kritik) erfolgt anhand von zwei Themen und mit Fokus auf den Zusammenhang von Text, Musik, Stimme und Bandimage: Rechtpopulismus, mit Bezug auf „Böhse Onkelz“ und „Frei.Wild“, und Polizeigewalt am Beispiel von „Ice-T“, „Public Enemy“, „Slime“, „Pol1z1stens0hn aka Jan Böhmermann“ sowie „Haftbefehl“.

Die Bierdusche des Klangs. Sensologiekritik bei Deichkind
Holger Schulze
University of Copenhagen
Eine Kritik an den Praktiken, Produkten und Rezeptionsformen des Pop ist vor allem eine Kritik an sensorischen, physischen und materiellen Ereignissen. Diese Form der Kritik erlangt mit dem Konzept der „Sensologie“ des italienischen Philosophen Mario Perniola („Über das Fühlen“, 2008) eine Wucht des Arguments.
Perniola zufolge repräsentieren Medien, Artefakte, Apparate, Filme und Bilder nicht allein Bedeutungen, Diskurse oder Ikonographien, Metaphorologien: sie wirken vielmehr „sensologisch“ durch den Gebrauch der Sinne, den sie bahnen, trainieren und präferieren. „Sensologische“ Artefakte sind darum in der Gegenwart weitaus bedeutsamer und wirkmächtiger als jede ideologische Theorieschrift. Die Artefakte der Medien üben konstruktive Kritik an den Praktiken ihrer sensorischen Rezeption – und werden umgekehrt zum dringlichsten Gegenstand fundamentaler Kritik. Kritik der Apparate und des Mediengebrauches ist politische Kritik.
Dieser Vortrag unternimmt den Versuch, anhand einzelner Ausschnitte von Konzerten, von medialen Artefakten, von Erzählungen und anhand der kollektiven Persona die „Sensologie“ von „Deichkind“ zu untersuchen. Die Bühnenauftritte von „Deichkind“ sind im Laufe der 2000er Jahre kontinuierlich zu extremen Performances weiterentwickelt worden, die sowohl aktuelle Bühnentechnik als auch arme, abjekte und mitunter abstoßende Materialien nutzen. Dieser „Kindergeburtstag für Erwachsene“ wird mit einem stetig umsortierten Kollektiv aus Performern und Produzenten kontinuierlich weiterentwickelt und bildet die Grundlage auch für Auftritte in Musikvideos, auf Websites und in Fernsehshows.
Mithilfe des Ansatzes von Perniola sollte es möglich sein, zum einen die sensorischen Praktiken und affektiven Dispositive (z.B. physiologischer Exzess, kollektive Abfahrt, affektive Verwirrungen) anhand konkreter medialer Auftritte und Artefakte als Form der Kritik zu rekonstruieren – und ihrerseits zu kritisieren. Medienkritik ist in diesem Fall sensorische Kritik: Sensologiekritik als Ideologiekritik in materiellen Popmusikkulturen.

Programm zum Download:
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Gesellschaft für Medienwissenschaft

Freie Universität Berlin















Fotos: Valentina Petri