Neue Osnabrücker Zeitung – Shirin David, Badmómzjay, Ebow Marcus S. Kleiner im Gespräch mit Laura Wolfert über das Problem mit Bisexualität im Rap: Kalkulierter Tabubruch oder echter Feminismus?
Das Problem mit Bisexualität im Rap: Kalkulierter Tabubruch oder echter Feminismus?
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Neue Osnabrücker Zeitung – Shirin David, Badmómzjay, Ebow Marcus S. Kleiner im Gespräch mit Laura Wolfert über das Problem mit Bisexualität im Rap: Kalkulierter Tabubruch oder echter Feminismus?

Neue Osnabrücker Zeitung – Shirin David, Badmómzjay, Ebow Marcus S. Kleiner im Gespräch mit Laura Wolfert über das Problem mit Bisexualität im Rap: Kalkulierter Tabubruch oder echter Feminismus?

Zitate aus dem Exklusivinterview:

Marcus S. Kleiner über knutschende Frauen und Authentizität im Rap

Ganz allgemein zum Verständnis: Warum funktionieren knutschende Frauen in Rap-Videos?
Marcus. S. Kleiner: Das funktioniert deshalb, weil wir im Moment eine leichte Zunahme von intersektionaler Sensibilität und damit von Anti-Diskriminierungsbewusstsein im Deutschrap haben. Es drängen immer mehr Künstlerinnen auf die Bühne und in den Vordergrund. Das ist für Rap – und Hip-Hop generell – relativ untypisch. Es wäre aber falsch zu behaupten, dass Deutschrap und Hip-Hop weiblich werden. Aber wir haben eine Aufschwungbewegung bei den Themen Antisexismus, Antihomophobie und Antidiskriminierung.
Abgesehen von dieser Entwicklung gibt es aktuell im Deutschrap immer noch eine erfolgreiche Dauerstrategie, um Aufmerksamkeit zu bekommen: den kalkulierten Tabubruch. Mit Bisexualität wird gespielt, sie wird inszeniert. Das ist in einem heteronormativ geprägten Musikumfeld eher untypisch. Normalerweise dominieren Männer das Rap-Game, Frauen sind zumeist Gegenstand sexistischer Diskriminierung.
Von hetero- zu bisexuell: Kann man sagen, dass sich ``Sex sells`` komplett gewandelt hat?
Komplett gewandelt auf keinen Fall. Wenn zwei Frauen miteinander knutschen, ist das immer noch eine heteronormative Männerfantasie. Ob das nun bisexuelle- oder lesbische Szenen sind, ist egal – das wirkt auf viele männliche Fans, natürlich nicht nur für diese, anziehend. Im Moment ist der Flirt mit Bisexualität im Rap eher eine Intervention, das dabei aber immer noch und immer weiter die bekannte Haltung ``Sex sells`` oder ``Sexiness sells`` reproduziert.
Shirin David hat mit Kitty Kat einen Song herausgebracht, der ``Be a hoe / Break a hoe`` heißt. Den Song finde ich empowernd, aber auch problematisch. ``Break a bitch`` bedeutet laut Urban Dictionary: ``Ein Mädchen geistlich oder körperlich abhängig machen, sie dazu zu bringen, das zu tun, was man will.``
Das ist genau der Punkt. Einerseits hast du eine Inszenierung der beiden Musikerinnen. Andererseits einen Text, der das bricht. Das ist genauso ein Bruch, wenn Apache und Bausa auf einmal den Feminismus vermeintlich für sich entdecken – zwei bekanntlich sehr sexistische Rapper in der aktuellen Deutschrap-Szene. Insofern ist der Song keine gelungene intersektionale Intervention (Anmerkung der Redaktion: Einspruch oder Einflussnahme in einem ganz bestimmten Bereich).
Man könnte auch behaupten, dass ``Break a hoe`` so viel bedeutet wie: Ich ändere deine Sehgewohnheiten und mache dich davon abhängig. Das wäre aber sehr freundlich interpretiert. Das liegt im Text meines Erachtens nicht begründet. Das Video und der Songtext sind letztlich rein plakativ und nicht als feministische oder systemkritische Intervention zu verstehen.
``Break a hoe`` übersetze ich sinngemäß mit: Eine Frau brechen, sie verändern und bisexuell machen. Ist das falsch?
Das wäre dann extrem machistisch. (Anmerkung der Redaktion: Machismus ist ein Verhaltensmuster, das die Dominanz des Mannes und die Unterordnung der Frau verherrlicht.)
Um das noch besser zu verstehen: Shirin David deutet in ihren neuen Songs immer wieder an, bisexuell zu sein. Es ist schön, dass sie ihre Reichweite nutzt und damit ein Zeichen setzt. Schließlich ist es egal, wen wir lieben. Ich finde es aber schwierig, ein vermeintliches Outing als Marketingstrategie zu nutzen – wenn sie selbst vielleicht gar nicht bisexuell ist.
In der medienwissenschaftlichen Forschung unterscheiden wir zwischen Star-Star und Star-Mensch. Der Star-Star ist Shirin David, wie man sie auf Instagram und in ihren Musikvideos sieht. Der Star-Mensch ist die Person dahinter, wie sie ihre Familie und Freundinnen kennen. Deine Erwartungshaltung und die von Fans ist, dass beides übereinstimmen muss. Gerade im Hip-Hop ist Authentizität und Glaubwürdigkeit sehr wichtig. Man darf aber nicht vergessen: Es wird mit dem Narrativ der Glaubwürdigkeit und Authentizität gespielt.
Shirin David ist eine Kunstfigur. Sobald du als Star auf der Bühne bist, inszenierst du dich. Insofern muss jemand, der über Bisexualität rappt oder Bisexualität als Schauspielerin darstellt, nicht bisexuell sein. Jeder oder jede Künstlerin performt ihre beziehungsweise seine Kunstfigur und kann sie so entwerfen, wie sie oder er will.
(…).“

Herzlichen Dank an Laura Wolfert für unser Gespräch.