05 Nov Salzburger Nachrichten. Das letzte Scheinwerferlicht
Marcus S. Kleiner im Gespräch mit Konstantin Schätz, ob TV-Shows wie „Wetten, dass…?“ noch zeitgemäß sind.
Quelle: Salzburger Nachrichten
Auszüge aus dem Interview:
„Doch der schwindende Erfolg solcher Sendungen liege nicht - oder nicht nur - an den Moderatoren, sagt der Medien- und Kulturwissenschafter Marcus S. Kleiner von der SRH Berlin University of Applied Sciences: ,Solche Sendungen waren ein audiovisuelles Lagerfeuer für Familien. Aber mittlerweile sind sie einfach komplett überholt.‘ Dies habe verschiedene Gründe, erklärt der Experte für Populäre Medienkulturen. Einerseits sei ein Reiz dieser Sendungen gewesen, dass man darauf ,hingefiebert‘ habe. In Zeiten des Streamings sei dies aber nicht mehr der Fall: ,Sendungen werden heute nicht mehr linear konsumiert - sie werden auf Abruf angesehen.‘ Das veränderte Mediennutzungsverhalten würde den Samstagabendshows deshalb ihren Live-Charakter und damit einen wesentlichen Bestandteil ihres Charmes nehmen.“
„Das größte Problem der Unterhaltungssendungen liege aber woanders: Insbesondere die Diskussionen um die derzeit sehr erfolgreiche Netflix-Serie ,Squid Game‘ führt laut Kleiner vor Augen, dass immer mehr Sensation und Spektakel von TV-Produzenten verlangt werden. Samstagabendshows gerieten deshalb an ihre Grenzen. Ein Unfall wie der bei ,Wetten, dass..?‘ im Jahr 2010 sei die Folge. Damals sprang der 23-jährige Samuel Koch bei einer Wette über ein fahrendes Auto und verletzte sich schwer. Seitdem ist er vom Hals abwärts gelähmt. ,Sowas kann passieren, wenn man versucht, immer noch spektakulärer zu werden‘, erklärt Kleiner. Die Waage zwischen sozialer Verantwortung einerseits und Einschaltquoten andererseits zu halten würde immer schwerer fallen, führt der Wissenschafter aus.“
„Auch neue und moderne Formate wie beispielsweise die der beiden ProSieben- Moderatoren Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf könnten am Ende der Unterhaltungssendung in dieser Form nichts ändern. Zwar sind ihre Sendungen mit ein bis zwei Millionen Zusehern in Deutschland - im Verhältnis - erfolgreich, dennoch hat Kleiner kaum Hoffnung für diese TV-Formate. ,Joko und Klaas modernisieren zwar diese Form der Sendung. Es ändert aber nichts daran, dass die Abendshow tot ist. Sie ist ein Fernsehzombie.‘“
„Würde man diese Tatsache nicht akzeptieren und allen Anzeichen zum Trotz weiterhin an den Formaten festhalten, könnte das nicht nur peinlich werden - es würde an der beeindruckenden TV-Historie von Kultsendungen wie ``Wetten, dass..?`` rütteln, befürchtet Kleiner. Er fordert deshalb, dass sich TV-Produzenten überlegen sollten, wie neue Formate aussehen könnten. Das sei das A und O.“
Herzlichen Dank an Konstantin Schätz für unser Gespräch.