04.10.2014 Vortrag und Panel auf der Jahrestagung der „Gesellschaft für Medienwissenschaft“ (GfM) in Marburg (02.-04.10.2014), Schwerpunkt: „Medien / Recht“
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04.10.2014 Vortrag und Panel auf der Jahrestagung der „Gesellschaft für Medienwissenschaft“ (GfM) in Marburg (02.-04.10.2014), Schwerpunkt: „Medien / Recht“

04.10.2014 Vortrag und Panel auf der Jahrestagung der „Gesellschaft für Medienwissenschaft“ (GfM) in Marburg (02.-04.10.2014), Schwerpunkt: „Medien / Recht“

GFM Jahrestagung 2014

Konzeption und Leitung des Panel der „AG Populärkultur und Medien“:
„…And Justice For All. Die Aushandlung von Recht und die Inszenierung von Rechtskulissen in Populären Medienkulturen“

Vortrag im Panel „…And Justice For All“:
Breaking the Law. Die Performativität von Recht und Unrecht in den US-amerikanischen TV-Serien „Dexter“ und „Breaking Bad“

 

 

 

 

GfM-Jahrestagung

02. – 04.10.2014

Universität Marburg

Panel der AG Populärkultur und Medien

„…And Justice For All. Die Aushandlung von Recht und die Inszenierung von Rechtskulissen in Populären Medienkulturen“

 

Konzeption und Leitung: Prof. Dr. Marcus S. Kleiner (Hochschule Macromedia, Campus Stuttgart)

Moderation: Dr. Sven Stollfuß (Universität Mannheim)

 

Die spannungsreiche Interdependenz von Recht und Unrecht stellt eine bedeutsame Konstante gesellschaftlicher Wirklichkeit dar. Darüber hinaus gehört die Darstellung dieser Interdependenz zu den prominenten sowie erfolgreichen Sujets in (Populären) Medienkulturen. Die wechselseitige Bezugnahme von Gesellschaft und Medien auf ihre eigensinnigen Rechtsordnungen und Unrechtsformen verdeutlicht, dass Recht und Medien in ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen untrennbar miteinander verbunden sind und kontinuierlich aufeinander verweisen.

Leitend sind hierbei die drei Fragen: Wie reflektieren sich Populären Medienkulturen in ihrer Rolle als MittlerBoten und Verwalter von Rechtswissen einerseits und hinsichtlich ihrer Inszenierung von Rechtskulissen andererseits? Wie werden sie dabei von der Gesellschaft, die sie adressieren, ihrerseits beobachtet und reflektiert? Welche Dynamisierungsverhältnisse der Interdependenz von Recht und Unrecht sowie von Recht und Medien erzeugt diese wechselseitige Bezugnahme?

Das Panel diskutiert exemplarisch das Komplementärverhältnis von Recht und Unrecht sowie Medien/Recht und Rechtsmedien, deren synergetischen Beziehungen, die Eigenlogik sich wandelnder Medienformate und Präsentationsformen (medienbedingte Transformationen) sowie ihre Einschreibung in den Prozess der kollektiven Wissenskonstitution und Wissensaneignung (soziokulturelle Auswirkungen). Die Beiträge fokussieren sich, bezug nehmend auf die Medien Musik, Film, Fernsehen und Internet, auf populärkulturelle Medialisierungen und Popularisierungen historischer Szenen des Rechtswissens und von Rechtsordnungen, auf deren Wandlungsprozesse sowie auf gegenwärtige Inszenierungen von Rechtskulissen – zwischen dem späten 19. und frühen 21. Jahrhundert. Darüber hinaus auf die Inszenierung und Legitimation alternativer Rechts-/Unrechtskulissen sowie deren gesellschaftlichen Kommentierung. (Text: Marcus S. Kleiner)

 

Vorträge des Panel:

Dr. Thomas Wilke (Universität Tübingen)

Phonograph, Grammophon und Sprechapparate.
Der Kampf um die Tonkonserve zwischen Tiefenschrift und Seitenschrift

Die Patentanmeldung zur Erfindung des Phonographen im Dezember 1877 wird in der Literatur gern als Wettlauf zwischen dem Franzosen Charles Cros und Thomas A. Edison dargestellt, auch wenn beide nur durch die Berichterstattung der Zeitung voneinander Kenntnis nahmen. Edisons erlahmtes Interesse nach dem ersten größeren Scheitern der technisch noch nicht ausgereiften Erfindung begann erst wieder nach den Weiterentwicklungen von unter anderem Charles S. Tainter Mitte der 1880er Jahre aufzulodern. Unabhängig davon und parallel dazu arbeitete Emile Berliner am Grundproblem des Phonographen: die Vervielfältigung. Mehrere Exemplare einer Aufnahme waren durch das Verfahren der Tiefenschrift bis zum Goldgussverfahren 1904 nur unter größeren Mühen und qualitativen Verlusten herzustellen. Berliner hingegen verfolgte die Idee einer massenhaften Vervielfältigung und meldete schließlich 1887 das Grammophon als Patent an. Aus der technischen Möglichkeit der Vervielfältigung leitete sich scheinbar das Recht zur (analogen) Vervielfältigung ab. Damit legte Berliner – sehr viel stärker als Edison – den Grundstein einer sich in den Folgejahren rasant und dynamisch konstituierenden Industrie, die wir heute in ihrer Umfänglichkeit als Musikindustrie kennen.
Der Vortrag will konkrete Entwicklungen dieses medialen Dispositivs und den damit im Zusammenhang stehenden Rechtsstreitigkeiten um die verschiedenen Patente und ihrer Durchsetzung in der Anfangszeit bis zum Ersten Weltkrieg aufzeigen. Das beobachtbare Bewusstsein von Verwertungsinteressen, (neuen) medialen Handlungsfeldern und technischer Probleme am Ende des 19. Jahrhunderts stehen dabei im Fokus. Denn von den Aufnahmetechniken, den Formaten, über die verschiedenen Abtastsysteme, den Antriebsmotoren, den Wiedergabetrichtern ließen sich die jeweiligen Protagonisten in heftige Streitereien ein, die letztlich einen vordergründig ökonomischen Hegemonialanspruch in sich bargen und so zu alternativen Lösungen anregte. Der territorial begrenzte Patentschutz der einen Erfindung beförderte zum einen eine örtliche Verlagerung, beispielsweise von Amerika über Großbritannien nach Deutschland und zum anderen Weiterentwicklungen, die wiederum einen neuen Patentschutz einforderten. Es wird demnach ein sich frühzeitig verstehendes globales Produktions- und Vertriebsnetz ausschnitthaft dargestellt, um auch die Auswirkungen auf Aneignungsweisen von Musik durch die Ablösung physischer Präsenz im Moment der Aufführung deutlich zu machen. Im Vortrag werden zentral die wachsende Verflechtung einer sich ausdifferenzierenden und verrechtlichten Medientechnologie, ihre zunehmende ökonomische Bedeutung, und der Prozess der Veralltäglichung und Popularisierung – Stichwort Tin Pan Alley – thematisiert.

 

PD Dr. Marcus Stiglegger (Universität Mainz)

Das Dogma der Mit/Verantwortung.
Filmzensur unter medienethischer Perspektive

Im Januar 2014 bezichtigte die türkische Regierung einen Filmregisseur der Mitverantwortung für die mögliche Eskalation regierungskritischer Proteste: Serkan Koç hatte mit seinem Dokumentarfilm The Beginning (2013) die Proteste im Gezi-Park dokumentiert, was laut Regierung „öffentlichen Hass anheize“. Sie forderte nicht nur das Verbot des Films, sondern klagte den Regisseur der Mitschuld an. – Eine Dekade zuvor, 1995, führte der Rechtsanwalt und Bestsellerautor John Grisham einen ähnlich motivierten Prozess: Er zeigte den Filmregisseur Oliver Stone an, mit seinem Film Natural Born Killers (1994) mitschuldig an einem copycat-Verbrechen zu sein. Der Schauprozess verlief nicht zuletzt deshalb im Leeren, weil Stone zurecht die Frage aufwarf, inwieweit ein Regisseur überhaupt als alleiniger Urheber eines Film gelten kann. Beide Fälle verweisen auf ein bis heute hitzig diskutiertes Phänomen, inwieweit Filmzensur – in der Bundesrepublik nur nominell nicht existent – eine Schutzfunktion einnehmen kann und ob sie mit medienethischen Grundsätzen vereinbar ist. Der Vortrat wird unterschiedliche Aspekte und Perspektiven dieser Diskussion im Kontext von Medien und Recht untersuchen.

 

Prof. Dr. Marcus S. Kleiner (Hochschule Macromedia, Campus Stuttgart)

Breaking The Law.
Die Performativität von Recht und Unrecht in den US-amerikanischen TV-Serien „Dexter“ und „Breaking Bad“

Nicht die Darstellung von Recht und Unrecht sowie Verbrechen und Gerechtigkeit in bestimmten medialen Unterhaltungsformaten, sondern ihre Einbindung in gängige erzählerische bzw. dramaturgische Strukturen verschleiert häufig eine nüchterne und differenzierte Auseinandersetzung mit diesem Feld. Vor allem aktuelle US-amerikanische TV-Serien handeln oft unter dem Zwang, (mehr oder weniger) nachvollziehbare, zugleich aber hoch komplexe, Rechtsbrüche bzw. Straftaten zu inszenieren, die zum Ende hin vollständig aufgeklärt und bestraft werden. Dabei dominiert zumeist die Inszenierung des Spektakulären bzw. Außergewöhnlichen von Straftaten. Die Alltäglichkeit sowie (häufige) Banalität von rechtsbrechenden sowie verbrecherischen Handlungen sowie von derenBekämpfung und Sanktion, tritt dabei in den Hintergrund.
Die demonstrative Ausstellung von Ermittlungsmethoden und deren Technologien erzeugt darüber hinaus den Eindruck, exklusive Einblicke in ein diesseits des Alltags existierendes Wissen der Rechtsinstitutionen durch mediale Popularisierung seriell verstehbar und eventuell auch nachahmbar zu machen.
Weiterhin lässt sich im Kontext aktueller US-amerikanischer TV-Serien die Inszenierung von sympathischen Verbrechern bzw. legitimen Verbrechen identifizieren, wodurch die herrschende Rechtsordnung in Frage gestellt wird. Hier werden zumeist die eigentlichen Straftaten nicht aufgeklärt und es findet der Versuch einer medialen Legitimation einer neuen Rechtsordnung statt, die diesseits gesellschaftlicher Konventionen situiert ist. Die Bewertung von Verbrechen und Gerechtigkeit geschieht dadurch auf einer veränderten Basis, die die vermeintlich strikte Trennung von Recht und Unrecht, Verbrechen und Strafe, Normalität und Anormalität medial problematisiert.
Die vorausgehend skizzierten Themen werden anhand der Fernsehformatanalyse der beiden US-amerikanischen TV-Serien „Dexter“ und „Breaking Bad“ diskutiert.

 

PD. Dr. Ramón Reichert (Universität Wien)

Big Data & Legal Informatics.
Digitale Medienumbrüche der Rechtswissenschaft

„Let Watson Do the Discovery for Your Next Legal Case”: Dieser Projekttitel gewann 2013 den IBM-Award für Anwendungen, die das Computerprogramm „Watson“ weiterentwickeln. Dieses Programm nutzt Big Data als Möglichkeit, juristische Entscheidungen auf eine Datenbasis zu stellen und wird seither zur Auswertung von Prozessarchiven, Gerichtsdokumenten und digital verfügbaren Beweismittel genutzt. Der Umstand, dass rechtliche Begründungs- und Legitimationsverfahren heute eng an die Nutzung von webbasierten Infrastrukturen und Anwendungen geknüpft sind, kann als Indikator für einen Medienumbruch der Rechtswissenschaft angesehen werden.
Mit der engen Verflechtung von digitalen Online-Medien und juristischen Praktiken hat sich ein neues Feld medialer Wissenspraktiken herausgebildet: Die rechnergestützte Rechtsprognostik (Quantitative Legal Prediction) operiert mit großen Datenmengen und verortet sich im Bereich der Big Data-Forschung und ihren Methoden des prognostischen und trendanalytischen Data Mining.
Die Frage nach der gegenwärtigen Entwicklung juristischer Praktiken berührt daher zentrale Aspekte der Entwicklung medialer Anordnungen und technologischer Infrastrukturen und verdeutlicht, dass juristische Handlungs- und Entscheidungsprozesse von der Verfügbarkeit sowohl rechnerbasierter Planungs- und Beratungspraktiken als auch prognostischer Wissens- und Visualisierungstechniken abhängig gemacht werden. Der Vortrag soll darauffolgend aufzeigen, dass das rechtswissenschaftliche Wissen trotz seiner fortgeschrittenen Mathematisierung, Kalkülisierung und Operationalisierung seine performative Macht auch aus den medialen Inszenierungsformen seiner Anschlusskommunikation bezieht und Imaginäres, Fiktives und Empirisches miteinander in Beziehung setzt.

 

Programmheft zum Download:

Programm Jahrestagung Gesellschaft für Medienwissenschaft Marburg 2014