Badische Zeitung – Rapper, Clans, Neukölln: Ein Professor erklärt die Kultserie „4 Blocks“.
adische Zeitung - Rapper, Clans, Neukölln: Ein Professor erklärt die Kultserie "4 Blocks". Marcus S. Kleiner im Gespräch mit Laura Wolfert.
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Badische Zeitung – Rapper, Clans, Neukölln: Ein Professor erklärt die Kultserie „4 Blocks“.

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Badische Zeitung – Rapper, Clans, Neukölln: Ein Professor erklärt die Kultserie „4 Blocks“.

Marcus S. Kleiner im Gespräch mit Laura Wolfert.

Er. ist kein. Gangster, sondern Wissenschaftler. Deswegen weiß Prof. Dr. Marcus Kleiner ganz genau, was für eine Rolle Berliner Härte, Authentizität und Männlichkeit in der Serie „4 Blocks“ spielen.

Quelle: Badische Zeitung

Herr Kleiner, sind Sie ein Junge von der Straße?
Ich war viel auf den Straßen unterwegs, aber ich bin nicht im Ghetto geboren und ich weiß auch nicht, ob ich Street-Credibility (Glaubwürdigkeit auf der Straße) besitze.

Wie können Sie dann beurteilen, ob die RapperInnen aus 4 Blocks authentisch sind?
Das beurteile ich erstmal gar nicht. Ich schaue mir die Erzählung von 4 Blocks an. Was für ein Bild vermittelt uns die Serie? Wie läuft das Leben als Clanmitglied und der Alltag in Berlin-Neukölln ab? Uns wird zudem die Sichtweise der Polizei näher gebracht, die immer durch große Frustration gekennzeichnet ist. Ich betrachte die Inszenierung, die Erzählung – und nicht das echte Leben.

Sie sagen Inszenierung. Aber ist das wirklich alles inszeniert? Schließlich sind die Schauspieler wirklich Rapper, Gangster.
Nein, das ist eine Interpretation von etwas, das in der Gesellschaft passiert. Etwas, das wir auch medial beobachten. 4 Blocks übermittelt ein Bild. Das ist keine Eins-zu-Eins-Repräsentation von dem, was wir in der Zeitung über Clans lesen. Die Serie ist schließlich keine biografische Erzählung oder ein investigativer Bericht – sondern eine dramaturgisch zugespitzte Rekonstruktion von etwas, von dem wir schon gehört haben.

Versteht wirklich jeder Zuschauer, dass 4 Blocks nicht die Realität, sondern eine zugespitzte Erzählung ist? Bei Deutschrap werden die Hörer immer jünger. Ob sie zwischen der Kunstfigur und dem Menschen dahinter unterscheiden können, ist fraglich.
Ich möchte kein Allgemeinurteil sprechen. Aber ich glaube nicht, dass die Serie pädagogisch ist. Sie wird bestimmt nicht genutzt, um zu sagen: ``Leute, schaut euch das an. Das ist nicht gut, was da passiert. Werdet bitte anders.``
Trotzdem gibt es in 4 Blocks einen Bruch in der Erzählform, wo Serienpädagogik anfangen könnte – mehr dazu aber in meinem Vortrag.

Was für ein Bild wird in der Serie vermittelt – ohne dem Vortrag vorwegzugreifen?
In meinem Vortrag greife ich die Erzählung von Verbrechen auf, die wir medial schon seit vielen Jahrzehnten kennen.
Wir schauen uns dabei zuerst das Mafia-Genre an: Filme wie ``Scarface``, oder ``Der Pate`` zu Serien wie ``Sopranos`` und ``Sons of Anarchy``. Ich erkläre, wie Verbrechen erzählt wird und was für Männertypen es in diesen Geschichten gibt. Das ist meistens eine männerdominierte Welt, die sehr nach traditionellen patriarchalen Prinzipien funktioniert. Das ist die Vorbereitung, um 4 Blocks einordnen zu können – in die mediale Erzählung von Verbrechen und Männlichkeit. Dabei frage ich auch: Was macht es mit uns, wenn Rapper, die wir eigentlich schon aus einem anderen Kontext erkennen, in eine Rolle schlüpfen? Nehmen wir sie dann als Schauspieler glaubwürdiger wahr, weil sie Gangster-Background haben?

In der zweiten Staffel werden die Frauen aber viel stärker repräsentiert…
Das stimmt. Sie sind alle sehr selbstbestimmt, unterwerfen sich ihren Männern aber auch immer wieder. Ich glaube, das liegt daran, dass 4 Blocks keine Drehbuchautorin hat – niemand, der eine andere Perspektive zeigen könnte.
Dabei würde das den Frauenfiguren ganz guttun.

Was für eine Auswirkung hat die Serie 4 Blocks auf Rapper? Schließlich werden sie häufig nur als
gewaltbereite Drogendealer dargestellt.
Es bedient ein Klischee. Oder eine Realität? Ich lasse das immer außen vor, weil das mit der empirischen Einholung – also ob es wirklich stimmt – eine schwierige Sache ist. Aber man muss bedenken, dass in der Serie Gangstarap und kein politischer Conscious-Rap gezeigt und gespielt wird. Die Musik, die man hört, ist schließlich nicht von Curse oder Torch. Gangstarap ist milieuspezifisch entstanden und gibt der Erzählung und den Fans eine Glaubwürdigkeit, die ganz wichtig ist. Sonst würde es ein Bruch in der Wahrnehmung der Rapper und der Serie geben. Man bedient ein Klischee für die Erwartungshaltung, die Zuschauer haben. Im Positiven, als auch im Negativen.

Wie kommt ein Professor dazu, sich mit 4 Blocks auseinanderzusetzen?
Ich habe mich schon immer mit devianten, subversiven, Themen beschäftigt. Ich finde sie spannend, weil sie ein Spiegel der Gesellschaft sind. Weil sie uns im Moment der Abweichung näher bringen, wie unsere Gesellschaft funktioniert. Ich mag nun mal die ``dunkle Seite`` der Gesellschaft. So finde man vielleicht eher raus, wie man selbst oder andere ticken und funktionieren. Seit 18 Jahren betreibe ich Popkulturforschung. Forschung zu populären Medienkulturen sind aber immer noch die ``Bastarde der Wissenschaft``. Man nimmt diese Gegenstände – Filme, Serien, Musik – nicht als eigene kulturelle Wirklichkeit war. Sie gehören nicht zum integralen Bestandteil der akademischen Lehre und Forschung dazu – und sollen es wohl auch nicht, leider. Das sieht man daran, dass es keine Popkulturprofessur in Deutschland gibt. All diese Themen werden immer noch als nicht als seriös angesehen. Außer bei Games, Gewalt, Ego-Shooters.