Marcus S. Kleiner (2015), Untergangskulissen. Gesellschaft auf der Flucht – ›The Walking Dead‹ und ›Dead Set‹, Wiesbaden.
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Marcus S. Kleiner (2015), Untergangskulissen. Gesellschaft auf der Flucht – ›The Walking Dead‹ und ›Dead Set‹, Wiesbaden.

Marcus S. Kleiner (2015), Untergangskulissen. Gesellschaft auf der Flucht – ›The Walking Dead‹ und ›Dead Set‹, Wiesbaden.

Zombie-Filme sind ein populäres Subgenre des Horrorfilms. Der „Horrorfilm“ ist, wie Marcus Stiglegger betont, ein „Genre aus dem Bereich des phantastischen Films, das durch die Stimulation von Urängsten im Zuschauer Angstgefühle erzeugen will.“
Angst ist ein Erkenntnismedium. Nach Martin Heidegger (Sein und Zeit) ist die Angst eine Befindlichkeit, d.h. das Sichbefinden des Menschen, die in ihm herrschende Gestimmtheit, aus der sich ergibt, wie und was er im gegebenen Augenblick fühlen, denken und wollen kann. In der Angst wird das Dasein, Heideggers Begriff für Mensch(sein), durch sein eigenes Sein vor sich selbst gebracht wird. Die Angst vereinzelt das Dasein und erschließt es so als Möglichsein, als Freisein für die Freiheit des Sichselbstwählens und -ergreifens. Es geht in der Angst um die Welt, die als Nichts erfahren wird bzw. um das „Nichtigwerden aller innerweltlichen Bezüge“. Die in der Angst erfahrene Abgründigkeit und Unbedeutsamkeit des In-der-Welt-seins erzeugt Unheimlichkeit, im Sinne des Nicht-zuhause-seins. „In der Angst ist einem unheimlich“, d.h. hier ist kein Wohnen-bei, kein Sein-bei, also keine Weltlichkeit.
Nach Jean-Paul Sartre (Das Sein und das Nichts) ängstige ich mich in der Angst vor mir selber, vor meinem eigenen, infolge meiner Freiheit unterdeterminierten, unvorhersehbaren Verhaltensweisen.
In Zombie-Filmen und -Serien geht es wesentlich um radikale filmische Gesellschaftsanalysen, die sich unter anderem im Spannungsfeld von Leben und Tod, Gesundheit und Krankheit, Grenzen und Grenzüberschreitungen, Freiheit und Determination, Normalität und Anormalität, das Menschliche und das Monströse, Gesellschaft und Gemeinschaft, Realität und Utopie vollziehen.
Diese Spannungsfelder adressieren allesamt letztlich die Frage nach dem sozialen Band von Gesellschaften. Diese Frage wird in Zombie-Filmen und -Serien aus apokalyptischer und postapokalyptischer Perspektive behandelt. Dieser Band untersucht am Beispiel der US-amerikanischen TV-Serie THE WALKING DEAD und der britischen TV-Serie DEAD SET die Performativität und Performance von Sozialität und Humanität in Anbetracht der (Post-)Apokalypse, also nach dem Untergang von Sozialität und Humanität. Vom inszenierten Ende der Welt aus, verkörpert durch die ästhetische Figur des Zombies (Untoten) und seinem Hunger auf Menschenfleisch, also auf das Leben, das ihm genommen wurde, an dem er Virus-bedingt zugrunde gegangen ist, das er post-apokalyptisch aber durch seine Existenz bestimmt, werden einerseits die Substanzialität gesellschaftlicher Werte und Normen, andererseits das soziale Band von Gemeinschaften, hier hinsichtlich der kleinen Gruppe von Überlebenden, ihren Interaktionen, ihrem Überlebenskampf, ohne zu wissen, zu welchem Zweck, und ihrer Sinnsuche, problematisiert – dies unter der Leitperspektive von Grenze und Grenzsituation. Nach der Zerstörung der Außenwelt droht ihnen auch die Zerstörung ihrer Innenwelt, eine Umwertung aller Werte, an der sie zu scheitern drohen.
Im Band wird die performative Produktion, (Re)Konstruktion und Dekonstruktion von Sozialität und Humanität analysiert, in einer Welt, in der traditionelle Formen von Sozialität und Humanität nicht mehr existieren bzw. riskant geworden sind – die Analyse erfolgt anhand eines Modells strukturaler Kultur- und Medienbildung. Im Zentrum stehen hierbei Unschärfen, Verunsicherungen und Transformationen.
„They’re us“, wie George A. Romero in DAY OF THE DEAD (USA 1985) seine Zuschauer wissen lässt – Leben und Tod, Zivilisation und Barbarei sind nicht von einander zu trennen.

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